CITES Vergehen: Dokumentierter Fall

Seinerzeit als die CITES-Bestimmungen in der Schweiz in Kraft gesetzt wurden, habe ich mich über das neue Gesetz informiert und hierzu die für uns Meerwasseraquarianer relevanten Punkte zusammengestellt. Das Dokument ist hier zu finden und ist immer noch aktuell. Die meisten von uns werden, wie ich, gedacht haben: Es wird schon nicht so heiss gegessen werden wie gekocht wurde und die Behörden werden schon ein gesundes Augenmass walten lassen bei der Anwendung des Gesetzes: Im Fokus steht schliesslich der internationale Schmuggel von Elfenbein, Nashorn-Horn (heisst das wirklich so, oder heisst es nur „Nashorn“?), exotischen Schlangen und Papageien. Uns Meerwasseraquarianer wird man schon in Ruhe lassen und was geht mich die ganze Sache eigentlich an...?

Nun wurde aber ein Fall an mich herangetragen, bei dem ein Meerwasseraquarianer wegen Vergehen gegen das Tierschutzgesetz/CITES in Konflikt mit dem Gesetz geriet und empfindlich gebüsst wurde.

Besagter Meerwasseraquarianer, nennen wir ihn M., hat am 25.2.2013 (also vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten (BGCITES) am 1. Oktober 2013) bei einem bekannten Händler in Deutschland diverse Artikel bestellt, darunter 10 Kg Lebendgestein und eine Seriatopora Hystrix. Als Lieferadresse hat er die Adresse eines Bekannten in Deutschland angegeben.

Rechnung für die Bestellung beim Händler in Deutschland; man beachte Position 4 und 8


20130225 Rechnung

Am 1.3.2013 ist die bestellte Ware dann beim Freund eingetroffen und M. holte die Ware mit dem Auto ab und fuhr anschliessend über den unbesetzten Grenzübergang Tägerwilen wieder in die Schweiz. Hinter der Grenze wurde der Wagen von M. von einer mobilen Zollkontrolle im PKW überholt und angehalten. Beim Vorzeigen des Lieferscheins wurden die Beamten hellhörig und nach telefonischer Rücksprache wurde M. auf dem Grenzposten über 4 Stunden festgehalten und befragt.

Am 21.3.2013 erhielt M. ein Schreiben des Bundesamts für Veterinärwesen (BVET) (dieses wurde inzwischen in Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV umbenannt) in welcher der Sachverhalt dargestellt wurde und M. eine Frist von einem Monat eingeräumt wurde um die CITES-Dokumente vorzulegen und im Nachhinein eine Einfuhrbewilligung zu beantragen. Des Weiteren wurde M. darauf hingewiesen, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde auf die Koralle und das Riffgestein zu verzichten oder eine Fristverlängerung zu beantragen. M. verlangte daraufhin von seinem Händler in Deutschland sowohl schriftlich als auch telefonisch die entsprechenden CITES-Dokumente.

Erstverfügung des BVET vom 21.3.2016


20130321 Einfuhr von lebenden Korallen

Da dieser die CITIES-Papiere nicht vorlegen konnte, wählte M. schliesslich die Option auf die Koralle und das Lebendgestein zu verzichten. Er brachte diese an die im weiteren Verlauf angegebene Stelle beim Flughafen Kloten; was aus der Koralle und dem Lebendgestein wurde, ist ihm nicht bekannt. Das Lebendgestein im Wert von 125 EUR und die Koralle im Wert von 8.90 EUR war zwar verloren aber damit, so dachte M., habe sich die Sache erledigt.

Über zwei Jahre später, nämlich am 4.5.2016 erhielt M. eine Gerichtsurkunde von der Eidgenössischen Zollverwaltung mit der Bekanntmachung, dass gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet worden sei.
M. wurden 3 Tatbestände vorgeworfen:
- Eine Widerhandlung gegen das Zollgesetz ZG, SR631.0
- Eine Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer MWSTG SR641.20)

[Anm. Der Wert der Ware liegt zwar unter der Freigrenze von 300 CHF, da aber die Sachen vorlagepflichtig gewesen wären, machte sich M. auch der Hinterziehung der Mehrwertsteuer schuldig]

- Eine Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz (TschG; SR455)

Eröffnung Strafverfahren


20160504 Nichtanmelden von Korallen Seite 1

Schlussprotokoll Seite 1


20160504 Nichtanmelden von Korallen Seite 2

Schlussprotokoll Seite 2


20160504 Nichtanmelden von Korallen Seite 3

Daraufhin nahm sich M. einen Anwalt und liess sich in der Sache juristisch beraten.

Dem Anwalt von M. wurde dann am 28.10.2016 der Strafbescheid zugestellt. In Anwendung von Art. 128 ZG

Strafverfolgung
1) Wiederhandlungen werden nach diesem Gesetz und dem VStrR verfolgt und beurteilt.
2) Verfolgende und urteilende Behörde ist die EZV.)

der Art. 26 Abs. 1 und 27 BGCITES

Mit Busse bis zu 40 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich zuwiderhandelt:
a. den Bestimmungen der Artikel 6 Absatz 1, 7 Absatz 1 und 11 Absatz 1;
b. den Vorschriften, die der Bundesrat oder das EDI gestützt auf die Artikel 7 Absatz 2, 9 und 11 Absatz 3 erlässt und deren Missachtung für strafbar erklärt worden ist.

In Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 StGB

Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.

[Anm.: BGCITES trat erst am 1.10.2013 in Kraft, also 7 Monate nach dem Vorfall an der Grenze. Offenbar ist das Strafmass gemäss BGCITES aber geringer als dasjenige des alten Gesetzes und kommt somit in diesem Fall zur Anwendung. Mir ist allerdings unklar, gegen welche Bestimmung des alten Tierschutzgesetztes M. verstossen haben soll.]

Sowie der Art. 96, 101 und 103 MWSTG

Mit Busse bis zu 800 000 Franken wird bestraft, wer die Steuerforderung zulasten des Staates verkürzt, indem er:
a. vorsätzlich oder fahrlässig bei der Einfuhr Waren nicht oder unrichtig anmeldet oder verheimlicht;

4 Erfüllt eine Handlung sowohl den Tatbestand einer Hinterziehung der Einfuhrsteuer oder einer Steuerhehlerei als auch einer durch die EZV zu verfolgenden Widerhandlung gegen andere Abgabenerlasse des Bundes, so wird die Strafe für die schwerste Widerhandlung verhängt; diese kann angemessen erhöht werden.

3 In Strafsachen mit engem Sachzusammenhang, bei denen sowohl die Zuständigkeit der ESTV als auch die der EZV gegeben ist, kann die ESTV im Einvernehmen mit der EZV die Vereinigung der Strafverfolgung bei einer der beiden Behörden beschliessen.
4 Die Strafverfolgung kann unterbleiben, wenn Schuld und Tatfolgen gering sind (Art. 52 StGB2). In diesen Fällen wird eine Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung erlassen.

Strafbescheid vom 28. Oktober 2016


20161031 Strafbescheid Seite 1

Strafbescheid vom 28. Oktober 2016


20161031 Strafbescheid Seite 2


Obschon der Anwalt von M. Verfahrensmängel feststelle, hat er seinem Mandanten geraten die Busse von 400 CHF zu akzeptieren, da die Kosten für den Weiterzug des Verfahrens die Busse um ein Mehrfaches überschritten hätten. Daraufhin akzeptierte M. die Strafe und beglich die Busse. Da das Vergehen mit einer Busse von unter 5'000 CHF bestraft wurde, gilt M. nach diesem Vorfall nicht als vorbestraft.
Die Kostenfolgen für M. sind schlussendlich die Folgenden:

Verlust 10 Kg Lebendgestein: 125 EUR
Verlust Seriatopora Hystrix: 8.90 EUR
Schreibgebühren BVET: 120 CHF
Anwaltskosten: 806 CHF
Busse und Spruchgebühr: 490 CHF
TOTAL 1'560 CHF

Als engagierte Meerwasseraquarianer sind wir wohl alle der Meinung, dass Tier- und Artenschutz wichtig ist und der Gesetzgeber zu Recht bei Händlern, bei Züchtern und beim internationalen Handel seine Hebel ansetzt. Ob es allerdings im Sinne des Gesetzgebers ist, einzelne Meerwasseraquarianer, die aus Unwissen oder Sorglosigkeit eine Koralle und Lebendgestein aus dem EU Raum in die Schweiz einführen, zu verfolgen, darf bezweifelt werden. Offensichtlich wurde das Lebendgestein und die Koralle ja nicht in Deutschland der Natur entnommen und es gibt keine Hinweise, dass diese wiederrechtlich und ohne gültige CITES-Dokumente aus dem Herkunftsland in die EU eingeführt wurden. Bekanntlich ist die Schweiz nicht Teil der EU, aber welchen Sinn macht das harte Durchsetzen von CITES-Bestimmungen im Grenzverkehr mit der EU? In vielen Bereichen herrscht freier Waren- und Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU, welchem Zweck dienen nun die Schranken im Bezug auf CITES? Sollten sich die Vollzugsbehörden nicht besser auf die Kontrolle am Flughafen konzentrieren, wo Touristen direkt aus den Herkunftsländern exotischer Meeresbewohner ankommen und ggf. getrocknete Seepferdchen, Muscheln und aufgeblasene Kugelfische im Gepäck mitführen? Ein rigoroses Durchgreifen würde dem Artenschutz mehr bringen als die Verfolgung von Meerwasseraquarianern, die eine Koralle aus Deutschland in die Schweiz importieren.

Nach diesem Vorfall sollte nun jedem Meerwasseraquarianer klar sein, dass ein Import von Steinkorallen, Lebendgestein, Seepferdchen oder weiterer CITES geschützter Arten schwerwiegende Konsequenzen haben kann und die Behörden auch vernehmlich kleine Fälle, hart bestrafen.

Ich danke M. für die Erlaubnis die Unterlagen auf www.andreas-horvath.ch und Facebook veröffentlichen mit der Absicht andere Meerwasseraquarianer vor Schaden zu bewahren. Auf Wunsch von M. und eines Vertreters des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) veröffentliche ich die Unterlagen anonymisiert.

Gibt es weitere Meerwasseraquarianer, die wegen Vergehen gegen das BGCITES belangt wurden oder ist dies ein Einzelfall? Solltet ihr betroffen sein, nehmt bitte mit mir Kontakt auf und ich bin gerne bereit die entsprechenden Unterlagen hier zu veröffentlichen.