Interkonfessionelle Fischbeerdigung

Ich habe einen Hawaiidoktor (zebrasoma flavascens) und einen Zebrasoma Scopas. Als nahe Verwandte schwammen die Beiden während Jahren friedlich Seite an Seite durchs Becken. Seit ein paar Monaten musste ich allerdings feststellen, dass der Flavascens seinen braunen Kumpel zunehmend bedrängt und die beiden Streithähne manches Gefecht mit Ihren Schwanzflossen austrugen. Anfangs tat ich dies als Ausdruck gegenseitiger Machtdemonstration ab, aber zunehmend wurden die Kämpfe brutaler und der Hawaiidoc gewann Oberhand. Das Verhalten des gelben Doktors blieb auch meiner Freundin Esther nicht verborgen und seither läuft sie kaum mehr an meinem Becken vorbei ohne da verächtlich dem Hawaiidoktor ein "Arschlochfisch" zuzurufen! Obschon ich mich von solchen Ausdrücken meinen Fischen gegenüber distanziere, man soll deren Verhalten nicht nach menschlichem Massstäben bewerten, kann ich es ihr nicht verübeln: Aus Langeweile seinen langjährigen Gefährten zu quälen, ist schändlich und bestimmt auch nach den Gesetzen des Tierreiches verwerflich.

Ich hoffe, dass der Hawaiidoc sein Verhalten überdenkt und füttere etwas grosszügiger als sonst. Was kann ich tun? Versuchen einen der beiden Fische rauszufangen? Die Chancen, dass mir die Doktoren in die gläserne Fischfalle gehen, ist verschwindend klein, Saugglocke kann ich vergessen und mit dem Kescher muss ich gar nicht erst versuchen einen der Fische zu erwischen. Es bleibt mir nichts anderes übrig als zu beobachten und zu hoffen, dass es zu einer Verhaltensänderung einer der beiden Fische kommt.

Seit ein paar Tagen, ist der Scopas deutlich abgemagert, hat einen ausgefransten Flossensaum und zeigt offensichtlich Stresssymptome. Gestern Abend höre ich nun regelmässiges Plätschern aus dem Aquarium: Der Hawaiianer hat sich eine neue Strategie für sein Bullying gegen Scopas ausgedacht: Er drängt diesen bis dicht unter die Wasseroberfläche und versucht ihn mit einem Hieb der Schwanzflosse aus dem Aquarium zu werfen. Das geht nun eindeutig zu weit! Genug ist genug: Ich versuche den Scopas mit dem Kescher zu fangen in der Absicht ihm in einem der Kellerbecken der Zuchtanlage Asyl zu gewähren. Meine Hoffnung ist, dass der Fisch schon so weit geschwächt ist, dass ich ihn mit dem Kescher dicht unter der Oberfläche erwischen kann. Allerdings ist er dann aber doch fit genug um sich von mir nicht fangen zu lassen.

Heute früh ist dann beim Kontrollblick ins Becken der Scopas nicht zu sehen. Mir schwant schon Übles und so suche ich mit dem Auge die typischen Stellen ab, wo tote Fische zu finden sind: Aber weder am Überlaufkamm noch an der Strömungspumpe ist er zu finden. Nach ein paar Minuten finde ich dann den toten Scopas am Boden zwischen zwei Steinen liegend.

Beim Frühstück fragt mich Esther dann, was ich mit dem toten Fisch zu tun gedenke. Mein Antwort, dass ich ihn in einer Plastiktüte in den Kehricht gebe, entrüstet Esther: "Das geht gar nicht, wir müssen ihn beerdigen!" Ich erkläre ihr, dass er sich bestimmt eine Feuerbestattung gewünscht habe und wir hier schliesslich nicht von einem toten Hund oder Katze reden würden und dass es international in Aquarianerkreisen üblich sei kleine Fische im Klo runterzuspülen und Grössere im Haushaltskehricht zu entsorgen. Was soll ich noch sagen? Männer wissen, wie solche Diskussionen ausgehen, also gebe ich nach kurzer Diskussion nach. Als einzige Bedingung verlange ich die lückenlose journalistische Verwertung der Geschehnisse in diesem Blog. Da Esther die Erdbestattung des armen Fisches eine Herzensangelegenheit ist, willigt sie ein.

Nach dem Frühstück wollen wir aber erst eine Runde joggen gehen und legen deshalb den Zeitpunkt der Beisetzung auf den späteren Vormittag. Da uns die morgendliche Runde durch einen Wald führt, lässt es sich Esther nicht nehmen Material zu sammeln damit ich ein Kreuz bauen kann. Mein Widerstand ist zu diesem Zeitpunkt bereits gebrochen und so willige ich auch in dieses Vorhaben ein. Nach dem Joggen, immer noch in Laufklamotten aber passend zum Anlass in Schwarz, mache ich mich also dran ein Kreuz zu bauen, den toten Fisch aus dem Becken zu holen und mit dem Spaten im Garten ein Loch auszuheben. Da wir uns nicht sicher sind, welcher Konfession so ein Scopas angehört, verzichten wir auf eine Grabrede und beschränken uns auf ein einfaches "Asche zu Asche, Staub zu Staub". Nebst dem Christlichen Kreuz, bekommt er ein buddhistisches Räucherstäbchen während er nach dem Ritus der Moslems in Heimaterde begraben wird.

Der Hawaiidoc hat es verdient von Esther als "Arschlochfisch" bezeichnet zu werden. Nach dem er den Scopas abgemurgst hat, zeigt er wenig Gewissen und legt sich bereits mit dem Pseudochromis an: Wird er sein nächstes Opfer?




Armer Zebrasoma Scopas!




Die dauernden Quälereien seinen einstigen Freundes haben ihm sein Herz gebrochen




Ein Kreuz muss her




Das Kreuz soll künftig das Grab des Scopas zieren




Der Fisch wird in Felben-Wellhausener Heimaterde begraben




"Asche zu Asche und Staub zu Staub"




"Ade Fisch, jetzt kannst du in Frieden ruhen!"