Brachioni haben doch Rüssel aber keine Füsse!

Heute Abend gehe ich mit Joel tauchen. Wir versuchen es zum zweiten Mal am Tauchplatz "Schulhaus" in Steckborn. Das letzte Mal, es war im Sommer, hat der Bach so viel Wasser und Dreck in den See gebracht, dass an Tauchen nicht zu denken war und wir haben uns damals dann zum Tauchplatz "Wildsau" nach Berlingen gemacht. Heute bietet der See in Steckborn ein anderes Bild: Der Bach ist fast versiegt und der Pegel des Untersees annähernd 2 Meter tiefer als normal. Wir waten weit in den See ins Wasser bis wir endlich genug Wasser unter dem Kiel haben um unsere Flossen anziehen zu können. Der Tauchgang ist sehr entspannend und beim 30. Hecht höre ich auf diese zu zählen. Stellenweise wimmelten Millionen von Krebslarven im Wasser: Mit einem Kescher hätte ich Lebendfutter fangen können um die Aquarienbewohner der halben Schweiz zu ernähren!

Später am Abend, wieder zu Hause, sehe ich im Abteil ganz rechts meines Aufzuchtbeckens, bei dem ich die Wasserzufuhr abgestellt und Phytoplankton und Brachioni reingesetzt habe, ein langes, fadenartiges Gebilde im Wasser schweben. Ist das ein Schimmelpilz, eine Bakterienkolonie oder Algen? Nach dem Joel gegangen ist und ich noch nicht müde genug für ins Bett, nehme ich mit dem Schraubenzieher ein Stück dieses Fadens aus dem Becken und gebe es auf einen Objektträger, gebe einen Tropfen Methylenblau dazu und lege ein Deckglas drauf. Der Blick unters Mikroskop zeigt eine Kolonie von Punkten, von denen ich vermute, dass es sich um Algen handelt. Dazwischen schlagen sich Ciliaten und Brachioni den Bauch voll. Bei mehreren Brachioni sehe ich ein Verhalten, was ich früher auch schon beobachtet habe. Regelmässig fahren sie ihren rückseitigen Rüssel aus um diesen in die Algen zu stecken und dann wieder einzuziehen. Es ist klar zu sehen, dass dieser Rüssel am Ende zangenförmig ausgebildet ist. Entweder versucht der Brachi sich mit seinem Rüssel irgendwo festzumachen oder aber er schneidet Algen weg um diese vorne besser einsaugen zu können. Ich beobachte ihn längere Zeit und es gelingt mir ein paar brauchbare Aufnahmen zu machen.

Am PC google ich dann nach "Rüssel Brachionus" und stosse dann auf den Wikipedia-Eintag, der schreibt:
Der Fuß des Rädertiers hat zwei Anhänge, die Zehen. Im Fuß befinden sich Klebedrüsen, die auf den Zehen münden. Mit Hilfe der Klebdrüsen kann sich das Rädertier zeitweise oder dauerhaft an einen gewählten Untergrund festheften. Bei einigen planktischen Rädertierchen, etwa Asplanchna, fehlt jedoch der Fuß.

Der Rüssel ist also ein Fuss und die von mir beobachteten Zangen sollen Zehen sein? Und wie erklären Biologen, dass der Brachi seinen Fuss immer wieder in den Körper zieht um ihn dann ein paar Sekunden später wieder auszufahren? Welch kolossale Energieverschwendung dies doch wäre! Und in dem Algenfaden hätte der Brachi doch tausend Möglichkeiten gehabt sich festzuhalten, er aber zieht nur immer wieder seinen Fuss ein. Sein Verhalten ähnelt doch viel eher dem eines Elefanten, der mit seinem Rüssel Blätter von den Bäumen reisst um diese zu fressen. In meinem nächsten Leben werden ich Biologie, spezialisiere mich auf Brachionus und werde hoffentlich einen Nobelpreis erhalten für die Entdeckung der wahren Funktion des Brachionus-Rüssels. Oder noch besser: Ich werde gleich als Brachionus wiedergeboren und blogge dann live aus dem Aquarium darüber was ich mit meinem Rüssel so anstelle!

Auf diesem Brachionus-Bild sind die Flimmerhäärchen gut zu erkennen


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Man beachte das Hinterteil: Der Brachionus wirft seinen Anker aus


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In der Technik würde man dies Kneifzange nennen; und sowas ist nicht zum Festhalten, sondern zum Durchschneiden!


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Wenn man mich fragen würde, dann ist dieser Brachi doch am Hecken schneiden!


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