Mezcal, Jaguare und Meerwasseraquaristik
18/09/14 20:46
Vor bald 30 Jahren hat mir ein Bekannter aus dem Judoclub, der zwei Jahre durch Südamerika gereist und in Mexico gelebt hat, erzählt, dass es in Mexico einen Schnaps namens Mezcal gäbe bei dem in der Flasche ein echter Wurm drin sei. Ein besonderer Genuss und auch Mutprobe sei es jeweils, nachdem die Flasche leergetrunken ist, den Wurm zu verspeisen. Obschon die Erzählung viele Jahre zurück liegt, habe ich die Geschichte nie vergessen. Ich war nie in Mexico und bin weder in einer Bar noch einem Texmex-Restaurant je über dieses sonderbare Getränk gestolpert. Wie mir nun aber vor ein paar Wochen ein Arbeitskollege erzählt, dass er bald Besuch aus Mexico bekommen würde, fragte ich spontan, ob er seinen Besuch nicht bitten würde, mir eine Flasche Mezcal mit Wurm mitzubringen - nur wenn es nicht zu viele Umstände mache und selbstverständlich würde ich diese bezahlen oder mich sonstwie revanchieren. Wie ich nun heute früh, mein Ansinnen schon lange vergessen, im Büro ankomme, meinen Rucksack abstelle und das Notebook anschliesse, steht da eine Flasche Mezcal mit Skorpion auf meinem Tisch! Was für eine Überraschung, damit hätte ich nicht gerechnet! Der Bekannte meines Kollegen ist bereits weitergereist, aber ich lasse mir seine eMail-Adresse geben um mich bei ihm zu bedanken. Den ganzen Tag steht die Flasche und der Skorpion in meinem Blickfeld und ich lasse meine Gedanken schweifen...
Als ich ein Kind im Vorschulalter war, hatten meine Eltern einen Jaguar. Das Auto muss recht alt gewesen sein, denn ich erinnere mich noch an das Gefühl des rauen, rissigen Leders auf meinen nackten Oberschenkeln in sommerlichen kurzen Hosen. Dass es sich um eine "coole Karre" gehandelt hat, war mir damals nicht bewusst, es war halt einfach unser Auto mit dem wir zum Schwimmbad oder zum Einkaufen fuhren. Das Auto muss in der Tat alt gewesen sein, denn ich kann mich noch gut erinnern, dass wir recht häufig von Ennetbaden (da haben wir damals gelebt) nach Brugg gefahren sind um das Auto in der dortigen Jaguar-Garage reparieren zu lassen. Ich kann ich mich gut erinnern, dass ich immer sehr gerne mit meiner Mutter da hingefahren bin, denn diese Garage hatte etwas ganz besonderes zu bieten: An der Strasse vor den Parkplätzen war ein grosser Käfig und darin zwei lebende Jaguare.
Was haben diese beiden Geschichten miteinander zu tun? Würde heute eine Garage auf die Idee kommen, zur Lancierung eines neues Modells, lebende Raubtiere in einem Käfig aufzustellen, würde, noch bevor der erste Kaffee ausgeschenkt wäre, die Polizei, der Kantonsveterinär und der Tierschutz erscheinen und dem Treiben ein rasches Ende setzen. Der anschliessende Shitstorm würde der Firma so zusetzen, dass da vermutlich niemand mehr tanken, geschweige denn je wieder ein Auto kaufen würde und sie müssten ihre Tore schliessen. Was würde wohl passieren, wenn ein Schweizer Getränkehersteller, z.B. die Firma Rivella ihr neues Sommergetränk lancieren würde: "Rivella Violett - nur echt mit Regenwurm"? Es ist offensichtlich so, dass sich unser Verhältnis zu Tieren im zeitlichen, wie auch im kulturellen Kontext ändert. In der Gegenwart und in unserer westlichen Kultur, ist es durchaus in Ordnung exotische Fische und Korallen aus ihren Lebensräumen zu entnehmen, diese mittels Luftfracht und Ausstoss von CO2 durch die halbe Welt zu transportieren und die überlebenden Exemplare für den Rest ihres irdischen Daseins in einem Glaskasten in unseren Wohnzimmern zu halten. Wie werden wohl meine Kinder in 30 Jahren über ihren Vater und sein damaliges Hobby denken? Etwa so wie ich heute über den Garagenbesitzer in Brugg?
Wieso ist es okay Sardinen in Büchsen aber nicht einen Skorpion in eine Flasche zu packen? Wieso ist es unmoralisch Froschschenkel zu essen? Schnecken? Hunde? lebende Austern? Geht es nur darum ob uns etwas schmeckt oder wir "solches Zeugs" eklig finden? Warum verurteilen wir Japan für den Walfang zu "wissenschaftlichen Zwecken" aber essen Thunfisch-Sushi? Ist der Blick eines Robbenbabies süsser als der Blick eines Huhns? Warum töten wir ohne Skrupel eine lästige Bremse oder Fliege aber nicht die Maus in der Speisekammer? Muss ein Tier lieb schauen und ein weiches Fell haben, damit wir es nicht essen? Warum essen wir denn Kaninchen? Hat ein Fisch heute mehr Rechte als ein Jaguar vor 30 Jahren?
Viele Fragen, auf die ich keine Antworten geben kann oder wenn, dann nur aus meiner individuellen Optik. Mein Vater war Jäger und Fischer und das Verspeisen von Rehrücken und Forellen hat mich nie gestört. Heute finde ich das Füttern von Wild im Winter und die anschliessende Jagd im Herbst fragwürdig, gehe aber selber dann und wann mal fischen. Catch-and-Release, das heisst das Fischen um der Tätigkeit willen, finde ich moralisch bedenklich, nicht aber das Töten und anschliessende Verzehren des Fisches. Was würde wohl ein Fisch wählen, hätte er die Wahl? Ich esse gerne Fisch und Meeresfrüchte und halte ein Meerwasseraquarium, schaffe es aber nicht einen halbtoten Aquarienfisch, mit einem Schnitt zu erlösen.
Es ist schon erstaunlich, welche Flut von Gedanken so eine Flasche Mezcal auslösen kann - wohlgemerkt ohne davon getrunken zu haben!
Als ich ein Kind im Vorschulalter war, hatten meine Eltern einen Jaguar. Das Auto muss recht alt gewesen sein, denn ich erinnere mich noch an das Gefühl des rauen, rissigen Leders auf meinen nackten Oberschenkeln in sommerlichen kurzen Hosen. Dass es sich um eine "coole Karre" gehandelt hat, war mir damals nicht bewusst, es war halt einfach unser Auto mit dem wir zum Schwimmbad oder zum Einkaufen fuhren. Das Auto muss in der Tat alt gewesen sein, denn ich kann mich noch gut erinnern, dass wir recht häufig von Ennetbaden (da haben wir damals gelebt) nach Brugg gefahren sind um das Auto in der dortigen Jaguar-Garage reparieren zu lassen. Ich kann ich mich gut erinnern, dass ich immer sehr gerne mit meiner Mutter da hingefahren bin, denn diese Garage hatte etwas ganz besonderes zu bieten: An der Strasse vor den Parkplätzen war ein grosser Käfig und darin zwei lebende Jaguare.
Was haben diese beiden Geschichten miteinander zu tun? Würde heute eine Garage auf die Idee kommen, zur Lancierung eines neues Modells, lebende Raubtiere in einem Käfig aufzustellen, würde, noch bevor der erste Kaffee ausgeschenkt wäre, die Polizei, der Kantonsveterinär und der Tierschutz erscheinen und dem Treiben ein rasches Ende setzen. Der anschliessende Shitstorm würde der Firma so zusetzen, dass da vermutlich niemand mehr tanken, geschweige denn je wieder ein Auto kaufen würde und sie müssten ihre Tore schliessen. Was würde wohl passieren, wenn ein Schweizer Getränkehersteller, z.B. die Firma Rivella ihr neues Sommergetränk lancieren würde: "Rivella Violett - nur echt mit Regenwurm"? Es ist offensichtlich so, dass sich unser Verhältnis zu Tieren im zeitlichen, wie auch im kulturellen Kontext ändert. In der Gegenwart und in unserer westlichen Kultur, ist es durchaus in Ordnung exotische Fische und Korallen aus ihren Lebensräumen zu entnehmen, diese mittels Luftfracht und Ausstoss von CO2 durch die halbe Welt zu transportieren und die überlebenden Exemplare für den Rest ihres irdischen Daseins in einem Glaskasten in unseren Wohnzimmern zu halten. Wie werden wohl meine Kinder in 30 Jahren über ihren Vater und sein damaliges Hobby denken? Etwa so wie ich heute über den Garagenbesitzer in Brugg?
Wieso ist es okay Sardinen in Büchsen aber nicht einen Skorpion in eine Flasche zu packen? Wieso ist es unmoralisch Froschschenkel zu essen? Schnecken? Hunde? lebende Austern? Geht es nur darum ob uns etwas schmeckt oder wir "solches Zeugs" eklig finden? Warum verurteilen wir Japan für den Walfang zu "wissenschaftlichen Zwecken" aber essen Thunfisch-Sushi? Ist der Blick eines Robbenbabies süsser als der Blick eines Huhns? Warum töten wir ohne Skrupel eine lästige Bremse oder Fliege aber nicht die Maus in der Speisekammer? Muss ein Tier lieb schauen und ein weiches Fell haben, damit wir es nicht essen? Warum essen wir denn Kaninchen? Hat ein Fisch heute mehr Rechte als ein Jaguar vor 30 Jahren?
Viele Fragen, auf die ich keine Antworten geben kann oder wenn, dann nur aus meiner individuellen Optik. Mein Vater war Jäger und Fischer und das Verspeisen von Rehrücken und Forellen hat mich nie gestört. Heute finde ich das Füttern von Wild im Winter und die anschliessende Jagd im Herbst fragwürdig, gehe aber selber dann und wann mal fischen. Catch-and-Release, das heisst das Fischen um der Tätigkeit willen, finde ich moralisch bedenklich, nicht aber das Töten und anschliessende Verzehren des Fisches. Was würde wohl ein Fisch wählen, hätte er die Wahl? Ich esse gerne Fisch und Meeresfrüchte und halte ein Meerwasseraquarium, schaffe es aber nicht einen halbtoten Aquarienfisch, mit einem Schnitt zu erlösen.
Es ist schon erstaunlich, welche Flut von Gedanken so eine Flasche Mezcal auslösen kann - wohlgemerkt ohne davon getrunken zu haben!